Werner Philipp erzählt im Rückblick auf sein 90-jähriges Leben, wie er als engagierter Lehrer gemeinsam mit Schülern Materialien, Boote und Dokumente sammelte, um ein Wassersportmuseum zu gründen. Dieses Museum soll die reiche und wechselvolle Geschichte des Wassersports in Grünau bewahren, die im Kaiserreich begann und sich durch die Wirren des 20. Jahrhunderts zog.

Doch diese Geschichte ist mehr als ein nostalgischer Rückblick. Werner Philipp kämpfte unermüdlich für den Erhalt der alten Grünauer Bootshäuser. Einige von ihnen waren einst lebendige Zentren jüdischer Wassersportvereine, die durch die nationalsozialistische Judenverfolgung und die Teilung Deutschlands schwer beschädigt wurden.

Dieses Buch erzählt von Mut, Beharrlichkeit und der tiefen Überzeugung, dass die Geschichte des Wassersports in all ihren Facetten bewahrt werden muss – nicht nur als sportliches Erbe, sondern auch als Zeugnis eines kulturellen und sozialen Kampfes. Es ist ein inspirierender Bericht über die Kraft der Gemeinschaft, den Wert des Engagements und den unermüdlichen Einsatz für den Schutz unseres historischen Erbes.

Diese fesselnde Lebensgeschichte, die weit über den Sport hinausgeht, zeigt, wie ein starkes Engagement, eine klare Vision und der Zusammenhalt von Menschen die Vergangenheit lebendig halten und die Zukunft gestalten können.

Der 1933 geborene Mathematik- und Physiklehrer und Träger des Bundesverdienstkreuzes hat drei große Leidenschaften: Rudern, Sammeln und Pädagogik. Mit diesen Tugenden, gepaart mit Zähigkeit und Geschichtsbewusstsein, hat er das Wassersportmuseum Grünau ins Leben gerufen.

Dokument im Grünauer Wassersportmuseum zur Geschichte des jüdischen Bootshauses "Undine"
Die Geschichte des jüdischen Bootshauses in Grünau. Ein Dokument im Museum. Das Haus existiert nicht mehr.

Ein Kleinod in Treptow-Köpenick

ist die Überschrift eines Artikels im „Der Tagesspiegel“ vom 24. November 2025 von Julia Schmitz, die die Leiterin des Sportmuseums Berlin, Veronika Springmann, zitiert: „Mit Museum verbinden viele Leute etwas, das ganz kostbar ist und zeitlich lang her. Aber heute definieren sich Museen anders. Sie wollen Bildungseinrichtungen sein, sie möchten gegenwärtig sein. Also muss man natürlich konzeptuell anders arbeiten. Ich möchte nicht, dass die Besucherinnen hier vor Ehrfurcht erstarren.“ Und weiter schreibt Redakteurin Schmitz:

Dass das Wassersportmuseum in Grünau überhaupt existiert, geht auf die Initiative des Lehrers Werner Philipp zurück. Seit den 1980er-Jahren sammelte er alles rund um das Thema, 1990 wurde eine erste Ausstellung im Bürgerhaus Grünau eröffnet. Zehn Jahre später, Philipp hatte sein Archiv mittlerweile der Stadt Berlin geschenkt, übersiedelte das Museum in die Räume unter der Regattatribüne. Von 2016 bis 2024 musste es wegen der Sanierung der historischen Tribüne geschlossen bleiben; im September vergangenen Jahres wurde es wiedereröffnet.

Die Ausstellung räumt Arbeitervereinen sowie jüdischen Rudervereinen, die von den Nazis zur Auflösung gezwungen wurden, einen extra Platz ein. Zahlreiche Fotos, Pokale und Vereinslogos säumen die beiden Räume in diesem Kleinod der Berliner Museumslandschaft am Rande Berlins und zeigen, dass die Faszination für die Fortbewegung auf dem Wasser bis heute ungebrochen ist.

Der Tagesspiegel schrieb am 2. September 2024:

Werner Philipp hat in seinen nunmehr 91 Jahren schon viel erlebt und im Gespräch nimmt er seinen Gesprächspartner mit auf eine Zeitreise. Aber bei allem spielte immer seine Liebe zum Wassersport und zu Grünau eine Rolle.

So war er der Begründer des ersten deutschen Wassersportmuseums, ist aktiv in der Grünauer Geschichtswerkstatt und gibt als „Intelligenzblatt” betitelte Informationen zu Grünaus Historie heraus.

Auch für das eine oder andere Denkmal setzt er sich ein (Zum Beispiel für Büxenstein). Im Juli wurde er für seine Verdienste ums Gemeinwohl mit dem Verdienstkreuz am Bande, umgangssprachlich auch Bundesverdienstkreuz genannt, ausgezeichnet. Vor einer Woche ist zudem sein Buch erschienen: „Wassersport in Grünau – Wie ich auf die kühne Idee kam, ein Museum zu gründen“. Grund genug, einmal sein Leben zu beleuchten.

Werner Philipp mit Vereinsflagge in Sportkleidung, 2024
Werner Philipp mit Vereinsflagge in Sportkleidung, 2024
Gepflegte Kultur des Wassersports
Gepflegte Kultur des Wassersports, links das Sportdenkmal an der Dahme (Simulation)

Die Liebe zum Wassersport wurde Werner Philipp nicht in die Wiege gelegt, und das, obwohl seine Eltern Hildegard und Kurt Philipp in der Rudergesellschaft „Elektra” der AEG in Oberschöneweide ruderten. Er wurde 1933 in Berlin Wilmersdorf geboren, erlebt den Nationalsozialismus in der Siedlung Waldesruh in Mahlsdorf. „Nach dem Krieg hatte meine Mutter zu mir gesagt: ,Du musst mir versprechen, nie in eine Partei einzutreten.’ Das habe ich auch nie getan. Manchmal hatte ich eine große Fresse, aber in der Partei war ich nie”, sagt er schmunzelnd.

Mit 14 Jahren trat er in den Bürgerlichen Ruderverein in Köpenick ein, einen reinen Männerverein. Im selben Jahr machte er seine erste Wander-Ruderfahrt nach Prieros (Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg), ein Jahr später die erste Regatta. „Der Preis selber war nicht annähernd so interessant, wie die dazu gewonnene Buttercremetorte.” Er musste nach dem Krieg die Auflösung der vielen alten Vereine erleben, die von der DDR-Regierung zu Betriebssportgruppen gewandelt wurden. Auch sein Verein gehörte dazu.

Erst 1950 durften auch Frauen Vereinsmitglieder werden. Damals lernte er seine künftige Frau Inge kennen, die gemeinsam mit drei anderen Mädchen von ihm das Rudern lernte. Kurz vorher hatte er gerade angefangen, eine Ausbildung zum Zahntechniker zu machen. Zehn Jahre später gab es eine Schulreform und es wurden Lehrer benötigt. „Wir, meine Frau Inge und ich, sahen darin eine Chance, unserem Leben eine neue Wendung zu geben. Wir wurden, nach einem Schnellabitur, Neulehrer für Mathematik und Physik“, erzählt er.

Noch heute pflegt er Kontakt zu dem einen oder anderen seiner früheren Schüler. In erster Linie zu denen, die sich unter seiner Anleitung mit der Geschichte ihres Heimatortes auseinandersetzten – und insbesondere mit dem Wassersport in Grünau beschäftigten. „Ich wollte meinen Schülern nicht nur irgendwelche stupiden Pionier-Aufgaben geben, sondern etwas Sinnvolles machen. Das habe ich so mit der Schulleitung besprochen und durfte fortan mit meinen Schülern zur Geschichte des Wassersports in Grünau recherchieren”, erinnert er sich. Und fügt an: „Rudern ist immer Freiheit für meine Gören gewesen, ohne Zwänge.”

Ende und Neuanfang

1986 gründete sich eine Schülerrudergruppe unter seiner Leitung, die auch mithalf, Objekte aus der Vergangenheit zu erhalten, wie beispielsweise einen Ruderzweier, der im heimischen Garten von Werner Philipp hergerichtet wurde – inklusive Dichtigkeitsprüfung im heimischen Pool. Am 9.9.1988 („ich habe eine Vorliebe für ungewöhnliche Daten”) gründeten sieben Mitglieder einen inoffiziellen Verein, den Wander-Ruder-Club-Grünau, auch „Werners Ruderclique Grünau” genannt, der immerhin bis 2010 existierte.

Auf dem Foto zeigt er die erste Vereinsfahne und steht vor einem Foto seiner „Gören”, wie er die Ruder-Clique noch heute liebevoll nennt. Damals begann Philipp schon gemeinsam mit seinen Schülern erste kleine Ausstellungen zu initiieren – auf Tapetentischen im Freien. Der Vorläufer des Wassersportmuseums, das von 1990 bis 2016 existierte. Der Bezirk wurde zum Träger des Museums, Philipp ein ehrenamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter des Heimatgeschichtlichen Kabinetts Köpenick. Bis zum Beginn derModernisierung der Grünauer Regattastrecke war das Museum in den Räumen der Haupttribüne an der Regattastrecke untergebracht.

Unschönes Ende des Wassersportmuseums. „Am 16. Oktober 2016 wurde es in sehr unschöner Form platt gemacht“, sagt Philipp. Mit dem zuständigen Sportmuseum Berlin, einer Abteilung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, dem das Wassersportmuseum jetzt angehört, liegt Philipp nicht auf einer Linie. Das war schon daran zu erkennen, dass alle immer nur von „Philipps Trödel” sprachen. Dabei sind unter seinen Exponaten richtige Schätze: 40 Jahre lang versteckt gehaltene Vereinsfahnen, die in der DDR-Zeit nicht gezeigt werden durften, aber auch alte gespendete Boote, Vereinsjacken (eine hat er fürs Foto extra angezogen) und Ruderermützen.

Er ist gespannt, wie das neue Wassersportmuseum, das am Freitag eröffnet wird, aussehen wird. Er rechnet aber nicht damit, seine Sammlung darin wiederzufinden. „Heutzutage wird alles digitalisiert. Ich habe noch zu jedem Ausstellungsstück Geschichten erzählt, jeweils auf die Altersgruppe angepasst. Manche waren lustig, andere traurig oder gar tragisch“, sagt er wehmütig. Dennoch wird er sich die Eröffnung des neuen Wassersportmuseums nicht entgehen lassen und mit einigen seiner ehemaligen „Gören” und anderen Mitstreitern daran teilnehmen.

Text und Photo von Simone Jacobius für den Tagesspiegel